Der MG ZT 260

 

 

 

 

Der Gentlemen im Trainingsanzug

 

Rocking Rover

 

 

 

 

Man stelle sich vor, der Kellner in „Dinner for One“ tanzt Rockn’ Roll. Oder die Queen isst bei McDonalds After Eight mit Ketchup. Ähnlich unwahrscheinliche Autos gibt es nicht viele. Der neueste MG aus dem Hause der häufig totgesagten Marke Rover gehört aber sicher dazu. Nicht genug, dass die Briten es schafften, einen V8 aus dem Ford Mustang a) zu besorgen und b) in den einst von BMW entwickelten Rover 75 zu pflanzen: Sie stellten das Auto nach der Transplantation des Pferdeherzens auch noch auf Heckantrieb um. Macht 260 PS mit Handschaltung und einen tierischen Sound. Wie rockt dieser MG den Rover?

 

Karosserie/Innenraum

 

Am Gehäuse des 75 hat sich seit seinem Erscheinen wenig getan. Gut so, denn die Außenhaut erfreute von Anfang an durch zeitlose Eleganz. Die wenigen Retuschen an Scheinwerfern und Stoßfängern konnten daran nur wenig verschlimmbessern.


 

Und das können die kecken vier Auspuffrohre  sowie die im Styling filigranen, aber in ihrer Wirkung brutalen Riesen-Leichtmetallräder  beim ZT 260 leicht kompensieren. Er sieht damit so hinreißend aus, wie Mike Tyson im Tweed-Anzug.

 


 

Innen erfreute der einstige Hoffnungsträger von Beginn an mit stilsicherem englischen Ambiente, auf das die Jaguar-Kunden immer noch neidisch sind. Beim ZT kann der Kunde (muss aber glücklicherweise nicht)  tatsächlich die üppig verwendete Wurzelholzvertäfelung gegen schnödes Plastik tauschen. Soll sportlich sein, ist aber shocking.

   
 

Ansonsten erfreuen die sportlich knappen, aber bequemen Sitze . Deren elektrischer Verstellmechanismus lässt dem Fahrer so lange seinen Willen, bis die Lederwangen knarzend zwischen Mitteltunnel und B-Säule gepresst werden.  Da auch das Lenkrad einen üppigen Verstellbereich aufweist, findet jeder eine angenehme Sitzposition, die dank der konservativen Karosserieform einige Übersicht erlaubt. Nur der Schalthebel sitzt nicht weit genug vorne. 

  
 

Hinten ist nicht enorm viel, aber in der Regel ausreichend Platz. Gleiches gilt für den Kofferraum, wo der Heckantrieb sichtbar wird: Das Reserverad flog unwiderruflich raus. Seine Mulde nimmt zur Hälfte das hydraulisch bis zu 80 Prozent sperrende Differenzial ein. In den anderen Halbkreis pflanzten die Briten zur Optimierung der Achslast die Batterie sowie den CD-Wechsler. Zwei Dosen Tire-Fit und eine Taschenlampe für die Reifenpanne finden im Zwischengeschoss Platz.

 


 

Davon abgesehen macht sich der Heckantrieb nur noch an einem Detail bemerkbar: Der breitere Mitteltunnel für die Kardanwelle machte eine Platz sparendere Klimaanlagen-Betätigung notwendig. Die neue Konstruktion arbeitet aber leider volldigital: Sie kennt nur noch die Stufen „fucking freezy “ und „horrible hot “.

 

Am besten ausschalten und die sehr gute Verarbeitung genießen. Oder mit dem herrlich einfachen Navigationssystem spielen, wie BMW es sich ausdachte, bevor i-Drive Mode wurde.

 

Fahrwerk/Fahrverhalten

 



Wie schon erwähnt hat der MG ZT 260 im Gegensatz zu den anderen MG- und Rover-Modellen Heckantrieb. Ohne den beträchtlichen Aufwand im einzelnen zu beschreiben, zeigt sich beim Fahren: Der Umbau ist gelungen. Eibach-Federn und Bilstein-Dämpfer rundum lassen den ZT mit seinen recht aufwändig konzipierten Achsen sehr gut auf der Straße liegen.

 

Die Grundabstimmung ist dabei ziemlich straff. Dennoch ist der Komfort sehr annehmbar, weil das Ansprechverhalten erstaunlich gut ist. Größere Unebenheiten bringen den Aufbau hingegen schon in Bewegung. Dabei teilt der MG aber keine Stöße aus. Die Insassen spüren vielmehr eine Art kurzes, aber stark gedämpftes „Hoppeln“.

 


 

Präzise und ohne viel Seitenneigung lässt sich der ZT dabei um Biegungen jeder Art zirkeln. Nur Kurven mit ganz kleinen Radien sind weniger sein Metier.

 

Die Traktion ist ebenfalls ziemlich gut. Bei Nässe schützt eine elektronische Traktionskontrolle vor ungewollten Heckschwenks, nicht aber vor einer bei vollem Leistungseinsatz und hartem Kuppeln zuweilen stempelnden Hinterachse. Die Elektronik der ersten Generation reduziert außerdem nach alter Väter Sitte recht rüde die Leistung des V8, so dass der nach dem Eingriff einen Moment braucht, um wieder in Schwung zu kommen. Da der Traktionsverlust schon in seinen Ansätzen spürbar wird, ist auch Fahren mit abgeschalteter Elektronik eine spaßige und weit gehend gefahrlose Alternative. Ein ESP bietet MG leider nicht an. Zwar ist das Fahrverhalten frei von Tücke, aber angesichts des Leistungspotenzials wäre das Stabilitätsprogramm durchaus wünschenswert.

 

Gefallen können auch Bremsen und Lenkung. Letztere gefällt eher mit Präzision denn mit Leichtgängigkeit, und auch das mittlere Pedal verlangt nach beherztem Tritt. Dafür ist die Verzögerung sehr gut dosierbar und die Wirkung hervorragend.

 

Motor/Getriebe

 



Ein Mustang-Motor – das weckt große Erwartungen. Die werden allerdings beim Blick aufs Datenblatt erstmal gedämpft: Auf dem Weg von Amerika nach England sind nämlich einige Pferde über Bord gegangen. Nur 260 PS aus immerhin 4,6-Liter Hubraum, das klingt eher nach Ackergaul als nach Rennpferd.

 

Aber der Hörgenuss nach dem Anlassen zaubert dem Fahrer das erste Leuchten in die Augen und ein fettes Grinsen ins Gesicht: die V8-Trompeten von Longbridge. Rover-Deutschland-Chef Jürgen Voß bekennt denn auch freimütig, dass das, was den vier Endrohren entströmt, nicht von deutschen Behörden die EU-Homologation erhalten hat. Man habe sich stattdessen ein Land gesucht, das eher für Akustik als für exakt eingehaltene Grenzwerte etwas übrig hat. Ein Schelm, wer an Italien denkt.

 



Für unseren ersten Aufgalopp wählten wir die Tourer getaufte Kombi-Version
 – und werden schwer enttäuscht. Der Motor klingt zwar toll, dreht aber so zäh hoch, als klemmten die Kolben und auch die Elastizität ist bescheiden. Niedertourige Fahrweise akzeptiert der V8 zwar klaglos, aber von den 410 Newtonmetern ist dabei nichts zu spüren. Die Autobahnetappe bestätigt den subjektiven Eindruck: Über 210 km/h legt der Tourer nur noch im Zeitlupentempo an Geschwindigkeit zu. Wenn auf den amerikanisch-britischen Pferdehandel wenigstens der Spruch vom geschenkten Gaul passen würde. Aber der ZT T kostet fast 47  000 Euro und der Motor dürfte auch nicht umsonst über den großen Teich gewechselt haben.

 



Pflichtschuldig probieren wir noch die immerhin 100 Kilo leichtere Limousine
  – und sind überrascht: Ein spontan auf Gaspedalstellung reagierender, durchzugskräftiger Achtspänner vor dem Fahrer des klassischen Viertürers scheint förmlich mit den Hufen zu scharren. Mindestens die versprochenen 260 Pferdestärken scheinen vollständig versammelt. Bergab sind auf der Autobahn schnell mal über 250 km/h auf dem Tacho abzulesen. Gleichzeitig überrascht dieses ZK-Exemplar mit viel leichtgängigerer Schaltung. Selbst die Kupplung verlangt nicht mehr nach dem Tritt mit dem Pferdefuß. Beschleunigungswünsche bei 1500 U/min im fünften Gang beantwortet der 4,6-Liter jetzt ebenfalls deutlich eilfertiger und nicht nur ohne Murren. Mit zwei Zentnern Mindergewicht lassen sich diese gravierenden Unterschiede nicht mehr erklären. Des Rätsels Lösung liegt in der Zeitnot des Importeurs: Manches der Testautos konnte einfach nicht mehr richtig eingefahren werden. Und ganz offensichtlich reagiert der Small Block darauf überaus empfindlich. Wer sich also ernsthaft mit dem englisch-amerikanischen Mischling angefreundet hat, sollte unbedingt ein wenig Sorgfalt auf die ersten 1500 Kilometer verwenden.

 

Kosten

 

45 750 Euro will Rover für den ZT 260, 46 950 für den Kombi ZT T. Darin ist allerdings schon eine überdurchschnittliche Serienausstattung enthalten (CD-Wechsler, Navigationssystem mit Bildschirm, Glasschiebedach, Ledersitze, Klimaautomatik).

 

Der Vergleich mit der Konkurrenz geht nicht schlecht für den Briten aus, selbst wenn man sich an der Leistung und nicht an der Zylinderzahl orientiert. So kostet ein 530i mit derzeit noch 231 PS, aber ähnlichen Fahrleistungen 41 100 Euro. Bei gleicher Ausstattung kommt der Münchner aber schnell auf rund 49 000 Euro. In der Zylinderzahl ist ihm der MG überlegen, das Raumaangebot und Funktionalität sprechen aber eher für den Münchner.

 

Achtzylinder sind hingegen in der deutschen Oberklasse preislich sehr weit vom Briten entfernt. Richtig billig ist nur das amerikanische Original: Der Ford Mustang GT-R soll (ab Herbst 2004) selbst mit dem deutlich leistungsstärkeren V8 (440 PS) in den USA umgerechnet unter 35 000 Euro kosten, bietet allerdings weniger Platz und kein britisches Flair.

 

Die großen Fragezeichen kommen aber ohnehin bei Wartung und Unterhalt. Die Versicherungseinstufung sind heftig: 23 für die Haftpflicht liegt immerhin vier Stufen über einem BMW 530i und bei der Vollkasko liegt der MG gar fünf Klassen drüber. In Summe kostet der Brite damit bei der Allianz 2200 Euro mehr, als der Bayer, und ist immer noch 1600 Euro teurer als ein BMW 545i (Vergleichsbasis SF1, 100 Prozent).

 

Datenblatt

 

Typ

MG Rover ZT 260

Motor

V8

Hubraum (cm3)

4601

Leistung in PS (KW) bei U/min-1

260 (191) bei 5000

Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1

410 Nm bei 4000 U/min

Höchst-
geschwindigkeit (km/h)

250

Beschleunigung 0-100 km/h (sek.)

6,2

Getriebe

5-Gang Manuel

Antrieb

Front

Treibstoffsorte

Super

Verbrauch EU-Drittelmix (l/100 km)

13,2

CO2-Ausstoß (g/km)

308

Gewicht, Hersteller-
angabe (kg)

1815

max. Zuladung (kg)

435

Preis (Euro)

45.750,00 €

Abgasnorm

EU3

Kfz-Steuer (jährl.)/Euro

317,25

Versicherungsklasse (Haftpflicht):

23/k.A./31

Serienausstattung:

Frontairbags, Kopf- und Seitenairbags vorne, ABS, CD-Wechsler, elektrisch verstellbare Sitze, Navigationssystem, Ledersitze, Traktionskontrolle, Xenonscheinwerfer, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Klimaautomatik, Leichtmetallräder 18 Zoll

Typ

MG Rover MG ZT-T 260

Motor

V8

Hubraum (cm3)

4601

Leistung in PS (KW) bei U/min-1

260 (191) bei 5000

Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1

410 Nm bei 4000 U/min

Höchst-
geschwindigkeit (km/h)

250

Beschleunigung 0-100 km/h (sek.)

6,3

Getriebe

5-Gang Manuel

Antrieb

Front

Treibstoffsorte

Super

Verbrauch EU-Drittelmix (l/100 km)

13,2

CO2-Ausstoß (g/km)

308

Gewicht, Hersteller-
angabe (kg)

1815

max. Zuladung (kg)

435

Preis (Euro)

46.950,00 €

Abgasnorm

EU3

Kfz-Steuer (jährl.)/Euro

317.25

Serienausstattung:

Frontairbags, Kopf- und Seitenairbags vorne, ABS, CD-Wechsler, elektrisch verstellbare Sitze, Navigationssystem, Ledersitze, Traktionskontrolle, Xenonscheinwerfer, Zentralverriegelung mit Fernbedienung, Klimaautomatik, Leichtmetallräder 18 Zoll

     

 

 

Fazit

 



After Eight mit Ketchup, why not? Der MG ZT 260 ist alles andere als gewöhnlich oder vernünftig. Superlative hat er ebenfalls wenig zu bieten. Allenfalls den der ausgefallensten Kombination und der ungewöhnlichsten Konstruktionsgeschichte.

 

Aber er ist keineswegs zusammengeschustert, sondern wirkt wie aus einem Guss. Er liegt satt auf der Straße, kommt auch im Alltag gut zurecht, ist kräftig und dabei deutlich in der Aussprache. Sein Akzent ist trotz seines amerikanischen Herzen britisch, dank V8 aber eher „Working Class“ als „Oxford“. Spaß macht er allemal – vorausgesetzt, er ist gut eingefahren. Einen nicht zu unterschätzenden Vorteil hat der MG außerdem: Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Besitzer eines Tages vom Nachbarn mit dem gleichen Fahrzeug überrascht wird, tendiert gegen null.

 

Plus und Minus

 

+ gute Fahrleistungen

+ toller Sound

+ gute Elastizität

+ gute Verarbeitung

+ gute Straßenlage

 

– Klimaanlage kaum regelbar

– unwägbares Restwertverhalten

– teurer Unterhalt

 

 

Mit der freundlichen Genehmigung der FOCUS – Redaktion

Artikel von: Mittwoch, 14.07.2004, 15:36 · von FOCUS-Online-Redakteur Gerd Stegmaier 



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